Was bedeutet Feminismus abseits von Stammtischparolen? Katharina Mückstein hat bei denen nachgefragt, die es besser wissen.
Die österreichische Regisseurin Katharina Mückstein begab sich für ihren ersten Dokumentarfilm auf die Reise zu Forschenden aus den unterschiedlichsten akademischen Bereichen im deutschsprachigen Raum, um mit ihnen über Feminismus zu sprechen. Fernab der Stammtischparolen geben sie Einblick in den aktuellen Wissensstand, klären auf, widerlegen falsche Vorstellungen und bieten jenen Argumentationshilfen, die sich für nachhaltige Lösungen interessieren. Auch wenn der programmatische Filmtitel wenig subtil Mücksteins Stossrichtung verrät, zeigt sich hier Feminismus von einer neuen Seite.
Katharina Mückstein, Sie haben Ihrem Film einen programmatischen Titel gegeben. Wie fassen Sie ihn zusammen?
Katharina Mückstein: «Feminism WTF» soll einen Eindruck davon geben, womit sich der akademische Feminismus heute befasst. Mir war es wichtig, den Zusammenhang von Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat zu schildern, das sind Unterdrückungsformen, die wir zusammen betrachten müssen. Ich wollte zeigen, wie vielfältig, zukunftsorientiert und hoch politisch die feministische Wissensproduktion ist. Doch sollte es auch ein poppiger Film werden, der Vielfalt abbildet und queere Körperpolitik auf die Leinwand bringt.
Sie sind Drehbuchautorin und Spielfilmregisseurin. Wie kamen Sie dazu, einen Dokumentarfilm zu drehen?
Die Idee entstand schon vor acht Jahren im Gespräch mit meiner Co-Autorin Ina Freudenschuss. Uns hat geärgert, dass Feminismus wie ein Stammtischthema verhandelt wird und Leute Meinungen zu Dingen äussern, mit denen sie sich nicht ausreichend beschäftigt haben. Der andere Auslöser war, dass ein befreundeter Lehrer einen guten Dokumentarfilm über Feminismus für seinen Unterricht suchte. Ich habe recherchiert und schnell gemerkt, dass es diesen Film wirklich nicht gibt. Warum wird Feminismus aus der Mitte der Gesellschaft verdrängt? Ich glaube, dass es für unser System das gefährlichste – und wertvollste – Wissen ist.
Hatten Sie Schwierigkeiten, andere davon zu überzeugen, wie wichtig Ihr Thema ist?
Es gab antifeministische Vorbehalte; es sei ein Nischenthema und interessiere niemanden. Ich habe immer dagegengehalten, denn feministische Themen betreffen alle Ebenen unseres Zusammenlebens. Wie kann es sein, dass wir diesen Film nicht haben? Das war das beste Argument, das auch die Filmförderstellen überzeugte. Den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern in meinem Film musste ich genau erklären, wofür sie ihren Namen und ihr Wissen hergeben. Aber auch ihnen ist es ein grosses Anliegen, ihr Wissen zu übersetzen. Ein Dokumentarfilm eignet sich sehr gut dafür.
Wo stehen Männer im aktuellen feministischen Diskurs?
Wir müssen einen kritischen Blick darauf werfen, was man unter Männlichkeit versteht. Seit einigen Jahren gibt es die kritische Männlichkeitsforschung, sie steht den feministischen Theorien sehr nahe. Auf keinen Fall wollte ich antifeministischen Stimmen Raum geben. Tatsächlich müssen sich alle Männer fragen, ob sie diese Welt mit uns noch einmal lebenswert machen wollen oder ob sie uns im Stich lassen.
Und was ist mit den Männern, die sich von dieser Forderung unter Druck gesetzt fühlen? Besteht nicht die Gefahr eines Backlash?
Es ist nichts Neues, dass manche Menschen besser und manche schlechter gestellt sind in unserer Gesellschaft. Es geht um eine einfache Entscheidung: Möchte man auf der richtigen Seite der Geschichte stehen? Wenn ja, dann muss man dafür arbeiten. Jede Frau, die sich politisiert hat, hat sich schwierigen Fragen gestellt: Wie will ich lieben, wie Kinder bekommen, in welchen Beziehungen lebe ich, wie arbeite ich und wie habe ich Sex? Auch Männer müssen sich fragen, was das mit ihnen zu tun hat und welche Handlungen sie davon ableiten. Männer sind keine Babys. Warum sollten plötzlich die, die eigentlich marginalisiert und unterdrückt sind, dafür zuständig sein, Männer an die Hand zu nehmen und ihnen ein angenehmes Erlebnis dabei zu beschaffen, wie sie endlich einmal das Richtige tun? Ich bin mir sicher, dass jeder Mann, der sich diesen Film anschaut, hier etwas lernen kann.
Im Film heisst es: Privilegien seien unsichtbar für diejenigen, die sie haben. Wie steht es um Ihre Privilegien?
Es geht darum, sich nicht immer im Mittelpunkt der Dinge zu sehen. Meine Perspektive reicht nicht aus, um die Welt zu beurteilen. Nirgendwo habe ich so viel gelernt wie in feministischen Zusammenhängen. Ich bin eine weisse Cis-Frau, meine Eltern sind Akademiker und ich bin in einem der reichsten Länder der Welt geboren. Das habe ich mir alles nicht verdient und das ist auch o. k. Darauf muss man aber nicht mit Schuld, sondern mit Solidarität reagieren.
Am Ende Ihres Films fragen Sie die Protagonistinnen und Protagonisten, was sie sich für die Welt in 100 Jahren wünschen. Wie beantworten Sie die Frage?
Die Klimakrise ist da. Sie ist aus dem Kapitalismus entstanden, der wiederum braucht das Patriarchat und den Rassismus, um zu überleben. Wenn wir eine gerechtere Gesellschaft wollen, müssen wir schnell aktiv werden. Mein Film ist mein Beitrag dazu, dass Menschen aufwachen und sagen: «Ja, stimmt.» Es gibt Ideen und Handlungsmöglichkeiten, wie wir diesen Problemen begegnen können.