Die Sommerferien einer italienisch-kanadischen Familie entpuppen sich als sensible Momentaufnahme und Charakterstudie einer jungen Transfrau. Regisseurin Luis De Filippis befreit die Transfigur im Film von der durch Klischees definierten Nebenrolle und teilt eine einnehmende und authentische Erfahrung.
Etwas missmutig sitzt Renata (Carmen Madonia), eine junge Transfrau, auf dem Autorücksitz und zieht an ihrem Vape. Mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester Siena ist sie auf dem Weg in die Feriensiedlung an einem See, in der sie schon viele Sommer verbracht haben. Die überschwänglichen Versuche ihrer Mutter mit italienischer Pop-Musik für gute Laune zu sorgen, bleiben eindeutig ohne Erfolg. Von den Schwestern werden diese nur mit müden Blicken quittiert, während der Vater stur den Kurs hält. So beginnt der Erstlingsfilm der italo-kanadischen Regisseurin Luis De Filippis, die auch das Drehbuch geschrieben hat, er lässt einen unaufgeregt an einem einfachen Familienurlaub teilnehmen. Vom ersten Augenblick entwickelt die Familie eine herzlich normale und einladende Dynamik. Ren, wie sie von allen genannt wird, ist eigentlich schon ausgezogen und lebt ihr eigenes Leben. Was ihre Mutter aber noch nicht weiss, ist, dass sie ihren Job verloren hat. Nach dem Sommer wird Ren wieder auf ihre Eltern angewiesen sein. Aber auch die Schwester Siena hat ein kleines Geheimnis.
Aus dieser simplen Ausgangslage entwickelt De Filippis eine sommerlich leichte und trotzdem überraschend vielschichtige Geschichte. Da sind die Schwestern, die sich über Kleinigkeiten wie eine Baseballkappe streiten und sich dann im nächsten Moment geschlossen gegen die überfürsorgliche Mutter stellen. Die jung gebliebenen Eltern scheinen noch keinen klaren Weg gefunden zu haben, mit der Adoleszenz ihrer Kinder umzugehen. Und da sind die Beziehungen über die Anwesenden hinaus: Auch die italienische Nonna und ein Bruder nehmen über Telefonate an den Ferien der italo-amerikanischen Familie teil.
Geschickt wechselt die Regisseurin zwischen dem Miteinander der Generationen und dem Aussen; Ort, Mitmenschen und Landschaft lassen sich nur in wenigen Einstellungen erfahren. Die Kamera konzentriert sich auf die Familienmitglieder und bleibt vor allem Ren immer ganz nah. Luis De Filippis stellt eine fürsorgliche und intakte Familie vor, in deren banalen Alltagskonflikten sich die eigentliche Akzeptanz von Rens Transidentität zeigt.
Und doch nutzt De Filippis die Gelegenheit, mit kleinen Andeutungen und flüchtigen Momenten Rens Gefühlsleben spürbar zu machen. Immer wieder sind es kleine Jungs, die mit – einmal mehr oder weniger – spielerischen Übergriffigkeiten Konflikte in Ren auslösen. Als aus einer zufälligen Begegnung mit einem jungen Mann beinahe eine Sommeraffäre entsteht, zeigt sich eine weitere Facette des Erwachsenwerdens. De Filippis führt vor Augen, wie schambelastet Intimität oft ist – doch nicht für Ren, sondern für ihr Gegenüber. In der eleganten Selbstsicherheit und schelmischen Ruhe der Hauptfigur liegt die Stärke von «Something You Said Last Night».
Mit Carmen Madonia hat die Regisseurin, die selbst eine Transition vollzogen hat, eine ausdrucksstarke und einnehmende Schauspielerin gefunden, die mit nur wenigen Gesten eine ganze Szene tragen kann. Nur schade, dass sich De Filippis nicht mehr traut. Indem sie das ganze Setting auf eine überschaubare Zeit beschränkt, kann es eine kurze Momentaufnahme bleiben, dabei macht sie Lust auf mehr. Es braucht mehr solche Rollen für Transfrauen und Transmänner, die ganz selbstverständlich und authentisch am Leben teilhaben lassen. Am Ende passiert in «Something You Said Last Night» erstaunlich wenig, und doch wird wahnsinnig viel erzählt. De Filippis entlässt ihr Publikum mit mehr als nur einem kurzweiligen sommerlichen Ohrwurm.